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Wenn der Finanzminister Nonsense erzählt

Die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik werden bis 2019 um 27% gekürzt. Dennoch will Finanzminister Löger keinen Kahlschlag erkennen.

Vielleicht will Finanzminister Hartwig Löger die Menschen einfach für blöd verkaufen: „Für 2018 haben wir rund. 8,32 Milliarden Euro veranschlagt. Das ist alles andere als ein „Kahlschlag“, den man uns andichtet. Wir investieren weiterhin mehr als 10% des Jahresbudgets in Arbeit!“, erzählt er in seiner Budgetrede und erweckt so den Eindruck, dass tatsächlich mehr als 10% des Bundesbudgets von 81 Milliarden Euro im Jahr 2018 für die Untergruppe Arbeit ausgegeben würden. Das ist Nonsense. Löger vergisst dabei zu erwähnen, dass mehr als 7,3 Milliarden dieser Ausgaben nicht aus dem Bundesbudget kommen, sondern aus Beiträgen der Versicherten. Knapp 7 Milliarden kommen aus Arbeitslosenversicherungsbeiträgen, der Rest aus Beiträgen zum Insolvenzentgeltsicherungsfonds und einigen anderen Beitragstöpfen.

Nettoergebnis Arbeit: 1,034 Mia im Jahr 2018
Budget-Detaildokumente 2019 – Teilheft 20 – Arbeit – Seite 6

Tatsächlich bleibt dem Bundesbudget im Kapitel Arbeit des Jahres 2018 ein Finanzierungsaufwand von 1,034 Milliarden, also nicht einmal 1,3% des Bundesbudgets. Das sind um ein Drittel oder 500 Mio. Euro weniger als 2017. Im Jahr 2019 sinken die Kosten für das Budget noch einmal um 470 Millionen. Von Investition kann daher nicht die Rede sein.

Tarnen und Täuschen

Vielleicht aber versteht Finanzminister Löger schlicht und einfach selbst nicht, was er da sagt. Ohne politische und budgettechnische Erfahrung und Kompetenz, die er schlichtweg nicht haben kann, ist es auch schwierig, die Zusammenhänge im Sozial(versicherungs)system zu verstehen und anderen zu vermitteln. Doch selbst ohne Finanzminister wird es schwer, sich selbst ein Bild zu machen. Die notwendigen Hilfsmittel dafür wurden zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten aus dem Budgetbericht gestrichen: Erstmals fehlt die Aufschlüsselung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik, was bedeutet, dass die Budgets der einzelnen Jahre auch nicht miteinander verglichen werden können. Es bedarf schon besonderer Fachkenntnis, aus dem Verzeichnis der einzelnen Budgetansatzposten herauszufiltern, welche Mittel jetzt für Ausbildung, für sozialökonomische Betriebe, für Sonderprogramme für über 50jährige, für langzeitarbeitslose Menschen oder für Flüchtlinge (also für „aktive Arbeitsmarktpolitik“) aufgewandt werden. Und gänzlich unmöglich ist es, aus den Budgetunterlagen herauszufinden, wie viel Geld etwa für den Lebensunterhalt von Menschen in Ausbildung aufgewandt wird (=aktivierende Arbeitsmarktpolitik).

Tarnen und Täuschen ist angesagt, um das Ausmaß der Kürzungen im Bereich Arbeitsmarktpolitik zu verschleiern.

Gesäuberte Budgetunterlagen

Und beim Tarnen und Täuschen sind die neu gestalteten und von wesentlichen Informationen gesäuberten sind die Budgetunterlagen recht erfolgreich: Nur um knapp 7 Millionen Euro sinken die Aufwendungen für die Untergruppe Arbeit im Jahr 2018 gegenüber 2017. Und auch im Jahr 2019 scheinen es nur 180 Millionen zu sein. Tatsächlich deutet dieser erste Blick nicht auf einen „Kahlschlag“ hin. Doch der Schein trügt. Und zwar schon allein deshalb, weil die zur Verfügung stehenden Mittel auf Grund von Lohnerhöhungen (und daraus entstehender höherer Arbeitslosenansprüche) sowie der Inflation abgewertet werden. Ein in etwa gleiche Geldbetrag verliert damit um knapp 4% an „Leistungswert“. Ein zweiter Blick lohnt also, und führt zu einem vollständig anderen Ergebnis.

Allein jene im Jahr 2016 und 2017 wohlüberlegt geschaffenen zusätzlichen arbeitsmarktpolitischen Programme wie etwa die Aktion 20.000, Förderungsprogramme für arbeitslose Menschen über 50 Jahren, langzeitarbeitslose Menschen oder Flüchtlinge (Integrationsjahr) werden mit dem sogenannten Budgetbegleitgesetz im Jahr 2018 von geplanten 840 Mio. Euro auf 430 Mio. gekürzt, also um fast 50%. Im Jahr 2019 werden sie dann gleich noch einmal auf 270 Mio. Euro gekürzt. Am Ende stehen dann gerade einmal 32% der ursprünglich geplanten Mittel zur Verfügung.

Sondermittel für aktive Arbeitsmarktpolitik im Vergleich

Aber auch das „allgemeine“ Budget für aktive Arbeitsmarktpolitik wird deutlich reduziert. Statt der im 2017 vergebenen knappen Milliarde Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik (996,5 Mio.) gibt es 2018 nur mehr 846 Mio., im Jahr 2019 gar nur mehr 797 Mio. an Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik. Bis 2019 gehen also 20% der allgemeinen Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik verloren. Insgesamt sind 2019 dann etwas mehr als 27% der geplanten Mittel oder 540 Mio. Euro für die verschiedenen Programme aktiver Arbeitsmarktpolitik verloren gegangen.

Arbeitslosenzahlen sinken nur geringfügig

Sachlich begründen lässt sich dieser Rückgang nicht: Zwar soll etwa der Prognose des IHS für die Jahre 2018/19 folgend die Zahl der erwerbstätigen Menschen durchaus zunehmen, die Zahl der arbeitslosen Menschen wird aber nur geringfügig sinken, nämlich um insgesamt 15.000 Menschen im Vergleich zu 2017.

Die Kürzungen im Bereich aktive Arbeitsmarktpolitik sind entgegen der Aussagen des Finanzministers mehr Kahlschlag, als die behauptete Investition. Sie werden die Chancen schlecht ausgebildeter Menschen und älterer ArbeitnehmerInnen sowie von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt deutlich verringern. Das mag der ÖVP egal sein, weil diese Menschen eh nicht ÖVP wählen und es aus ihrer Sicht wenig volkswirtschaftliche Auswirkungen hat, ob diese Personen erwerbstätig sind oder nicht. Kürzungen – je nach Darstellungsweise – von insgesamt 27% gegenüber dem ursprünglichen Plan für 2018 oder von etwa 10% gegenüber dem Budgetjahr 2017 haben aber volkswirtschaftliche Folgen. Zumindest 2.000 Menschen werden ihren Job verlieren. Aber die wählen eh auch nicht ÖVP… und FPÖ wohl auch nicht (mehr).

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Lukas Wurz

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