reflektive

Anpatz-Ping Pong zur Parteienfinanzierung

Eine Debatte über öffentliches Geld und Wahlkampf-Spenden, die voller Angriffe, Vorwürfe und Emotionen verlief. Die letzte Sitzung des Nationalrats vor der Sommerpause am 3. Juli 2019 begann mit 15 Anträgen zur Neuordnung der Parteienfinanzierung, weitere Abänderungsanträge folgten (ein Überblick über die Forderungen).

Die bedeutendste  Änderung betrifft die Einschränkung von Spenden in der Höhe von max. 7.500 Euro pro Spender und Jahr, als auch die Einschränkung in der Höhe von 750.000 Euro pro Wahlkampf pro Partei. Die Debatte drehte sich einerseits um (Groß)Spenden an sich, andererseits um das Offenlegen, Prüfen und Einhalten der gesetzlichen Regeln. NEOS und Liste Jetzt forderten mehr Prüf- und Kontrollrechte des Rechnungshofes ein, um die Parteifinanzen transparenter zu machen. Derzeit ist es so geregelt, dass der Rechnungshof nur über die Parteien vorgeschlagene oder von ihm selbst ausgewählte WirtschaftsprüferInnen die Parteien in ihrer Finanzgebarung kontrollieren lässt und nicht direkt in die Parteibücher Einsicht nehmen kann.

Deutlich waren zwei Blöcke in den Argumentationslinien sichtbar, die auch zeigen welches Verständnis Parteien von Finanzen und politischer (Un)Abhängigkeit haben: Ein Block aus ÖVP und NEOS, der (Groß)Spenden als Freiheit und Beitrag zur politischen Willensbildung begreift und ein SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt Block, der die Abhängigkeit der Politik von Großspenden – auch aus der Erfahrung der letzten ÖVP-Wahlkampfkostenüberschreitung – einschränken möchte, weil er diese als eine Gefahr für die Demokratie sieht.

Keine Partei ist ohne blinde Flecken, aber alle werfen Steine

Das Zeigen auf die jeweils anderen hatte Hochsaison bei gleichzeitig vielen eigenen blinden Flecken: Die ÖVP attackierte die SPÖ, die SPÖ und Liste Jetzt kritisierten die ÖVP, die FPÖ und die NEOS lieferten sich scharfe Wortgefechte. Die blinden Flecken betreffen bei Debatten oftmals das Ungesagte: Die ÖVP hat mit keinem Wort ihre eigene Rekordwahlkampfkostenüberschreitung von 6 Millionen im Jahr 2017 angesprochen, die FPÖ das Wort Ibiza nicht in den Mund genommen, die NEOS den Unternehmer Haselsteiner unerwähnt gelassen, und die SPÖ sich nicht zu Firmenbeteiligungen geäußert. Vereinskonstruktionen, die Umgehungen nach wie vor möglich machen, waren immer bei den anderen Parteien ein Problem. Ebenso waren Großspenden an die Fraktionen im Europaparlament kurz Thema.

Gerade bei der ÖVP war eine Diskrepanz zwischen ihren Forderungen auf der “Bekundungsebene”(Noll) und den tatsächlichen eingebrachten Anträgen bemerkbar. So forderte der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser Transparenzverbesserungen ein, die sich in keinem ÖVP-Antrag finden.

Wer ist hier der Feind?

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer beginnt die Debatte. Anlässlich des Ibiza-Videos hat die ÖVP drei Vorschläge gemacht: Parteienförderung reduzieren, Abschlagszahlung bei Nichterfüllung der Frauenquote und mehr Kompetenzen für den Rechnungshof. Der Antrag zum 3% Bonus bei einem Frauenanteil in einem Parlamentsklub über 40% wird später angenommen werden. Alle anderen finden keine Zustimmung. Der mehrheitsfähige Antrag von SPÖ-FPÖ-Liste Jetzt schadet nach Nehammer der ÖVP und bringe keine Transparenz. Doch die Verhandlungen seien schnell von Rot und Blau dominiert worden. Es dauert nicht lange und die Vereine der SPÖ und der FPÖ kommen in Nehammers Visier. Die Unabhängigkeit des Pensionistenverbands wird von Nehammer in Frage gestellt. Diese Vereine kann der Rechnungshof nicht prüfen. Er sieht im emotionalen Tonfall eine „Allianz der Zerstörung“ und destruktive Politik seitens der FPÖ und SPÖ. Am Ende folgt eine Wahlwerbung an die WählerInnen.

Österreich als Oligarchen-Insel

SPÖ-Abgeordneter Peter Wittmann erinnert das Plenum daran, dass „der destruktivste Akt der letzten Zeit“ jener von Bundeskanzlers Kurz war Neuwahlen auszurufen. Die Probleme sind für ihn offenkundig. Die ÖVP habe sich im Wahlkampf 2017 nicht an die gesetzlichen Spielregeln gehalten. Daher gebe es Handlungsbedarf bei der Überziehung der Wahlkampfkosten und der Offenlegung. Erst vor kurzem wurden weitere Millionenspenden von der ÖVP offengelegt „Wenn man sagt, dass einige wenige die Herrschaft übernehmen, dann heißt das mit dem aus dem Altgriechischen kommenden Fachausdruck Oligarchie. Auch Sie haben Oligarchen, nämlich einige wenige, die für Ihre Politik zahlen, und sich etwas wünschen.“

Er rechnet vor, was die einzelnen Großspender der ÖVP gespendet haben und was diese durch die Maßnahmen herausbekommen haben. Der Großspender und KTM-Chef Stefan Pierer „hat 410.000 Euro einbezahlt, bekommt aber alleine aus der Veränderung der AUVA-Beiträge 480.000Euro pro Jahr zurück. 480.000Euro pro Jahr!“ Auch bei Vereinen gelte die Obergrenze. Er meint wahrscheinlich die Personenkomitees und die Vereine, die in den Parteistatuen erfasst sind.

Ibiza als “gelebte Praxis“ wird legalisiert

NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger erinnert an die im Ibiza-Video angesprochenen Umgehungen durch Vereine vorbei am Rechnungshof, weil in den Rechenschaftsberichten der Parteien an den Rechnungshof diese Vereine keine Rolle spielen. Sie geht dem Begriff der Offenlegung auf den Grund, in Richtung ÖVP meint sie, dass zwei Jahre später zu spät seien, es gehe um eine Offenlegung gegenüber den ÖsterreicherInnen. NEOS veröffentlichen ihre Einnahmen (wie Spenden) und Ausgaben auf deren Website. Aus ihrer Rede geht hervor, dass NEOS nicht in die Verhandlungen eingebunden waren, so bleibt Meinl-Reisinger die kritisierende und kommentierende Rolle. Im Folgenden geht sie auch auf die positiven Teile des SPÖ-FPÖ-Vorschlags ein: Personenkomitees sollen nun  die Wahlkampfkostenobergrenzen miteingerechnet werden, Landes-und Teilorganisationen fest im Rechenschaftsbericht zu verankern sind, also auch gegenüber dem Rechnungshof offengelegt werden sollen. Die Spenden sollen unverzüglich gemeldet werden, wenn sie eine Schwelle von 2.500 Euro überschreiten und der Bonus für einen hohen Frauenanteil.

Als sie die Unkultur der Intransparenz anprangert und auch SPÖ, ÖVP und FPÖ direkt anspricht und meint, dass alle Parteien vorbei am Rechnungshof Wahlkämpfe finanziert haben, da sind keine Zwischenrufe oder empörte Gesichter zu sehen. Meinl-Reisinger kommt dann auf die Spendenaffäre der ÖVP zu sprechen, weil diese nicht alle Spenden offengelegt habe. Die ÖVP-Abgeordneten hören sich die Vorwürfe gelassen an, nur am Ende schüttelt Elisabeth Köstinger mild den Kopf. Bei der folgenden Kritik an der SPÖ gelangen die SPÖ-Abgeordneten dann deutlich mehr in Rage. Die Ordnungsglocke läutet, als Meinl-Reisinger der SPÖ-Parteichefin Rendi-Wagner vorwirft in „FPÖ-Manier“ Institutionen wie den Rechnungshof zu beschädigen und kleinzureden. „Gestern im Report zu sagen: Na ja, das sind ja weisungsgebundene Beamte–Also hören Sie auf, das ist eine wesentliche Säule der liberalen Demokratie!“ Die Spendenobergrenze sehen die NEOS als „Ausschaltung des Wettbewerbs“ und „Verstaatlichung“ des Parteiensystems. Die NEOS treten für schärfere Kontrollen und Offenlegung der Bücher ein.

Von scheinbarer Moral, ausgenutzten Lücken und Selbstreflektion

FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan stört die gut-böse Narration von Beate Meinl-Reisinger. Ihm fiele bei jeder Partei etwas ein. Er nennt als erstes Beispiel das ÖXIT-Warnvideo von Hans-Peter Haselsteiner im Bundespräsidentenwahlkampf gegen Norbert Hofer. Personenkomitees sind auch Vereine, diese werden nun miteingenommen. Auch die Strafen werden deutlich erhöht, sodass sich Überziehungen nicht mehr auszahlen. Er erklärt den Frauenbonus. Dieser kommt bei einem Anteil von 40% Frauen als Anreiz zur Auszahlung. Die Rolle und Logik des Rechnungshofs als Hilfsorgan des Parlaments sei wichtig, aber dieser sei für die Überprüfung der öffentlichen Geldflüsse zuständig, Spenden seien keine öffentlichen Gelder, deswegen sei die Überprüfung durch Wirtschaftsprüfer der bessere Ansatz.

ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl möchte sich weniger emotional verhalten. Diese Ansage ist erfahrungsgemäß aber immer eine Steilvorlage für eine Rede, die die Gemüter erhitzt. Gerstl macht sich Sorgen um die liberale Demokratie. Die ÖVP-Linie ist klar: „In einer liberalen Demokratie ist es das Recht jedes einzelnen Bürgers, eine Partei zu gründen und eine Partei zu unterstützen, frei von jeder staatlichen Einflussnahme. Meine Damen und Herren, wenn wir dieses Prinzip verleugnen würden, dann würde jede politische Partei am Gängelband des Finanzministers hängen. Das wäre dann eine Tyrannei der Mehrheit und eine solche Tyrannei der Mehrheit wollen wir nicht, meine Damen und Herren!“ Der vorliegende SPÖ-FPÖ Antrag entspricht nicht der Chancengleichheit so wie es die ÖVP versteht, denn es bedeutet, „dass jemand, der mehr einbringt, jemand, der mehr Stimmen hat, auch mehr Chancen bekommt.“ Gerstl arbeitet dann mit dem Blick auf die SPÖ-Reihen die Unterschiede zwischen ÖVP und SPÖ heraus: die ÖVP vertrete das Konzept der Bürgergesellschaft und er gebe keinen Unterschied von Spenden an den VGT oder an Greenpeace oder eine politische Partei. Spenden seien nichts Kriminelles oder SpenderInnen auch nicht korruptionswillig. Die ÖVP stehe allerdings auch zu einer Spendenobergrenze für den Einzelnen, diese liege bei dem Doppelten der Parteienförderung, denn dort beginne für ihn die Abhängigkeit. Er kommt kurz wie auch schon Meinl-Reisinger auf das Report-Interview von Pamela Rendi-Wagner zu sprechen, dass den Rechnungshof in Misskredit bringen würde. Am Schluss seiner Rede versucht er die Finanzgebarung der SPÖ – basierend auf seinen Recherchen der Rechnenschaftsberichte – schlecht dastehen zu lassen: im Wahljahr hätte die SPÖ an die zehn Millionen mehr an Ausgaben als in den vorangegangen Jahren gehabt und die Wahlkampfkosten wären nur leicht überschritten worden.

Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass sich die ÖVP vom Rechnungshof prüfen lässt

Liste Jetzt-Abgeordneter Wolfgang Zinggl gibt gleich am Beginn zu, dass der Vorschlag nur die zweitbeste Lösung darstellt. Nur die Liste Jetzt wäre für eine verstärkte Kontrolle des Rechnungshofs gewesen, doch dies fand keine Unterstützung. „Ganz wichtig sind natürlich diese Spendenobergrenzen, sowohl was die Einzelspenden als auch was die Summe aller Spenden für die Fraktion pro Jahrbetrifft. Das ist uns wichtig, weil wir nicht wollen, dass die Politik von den Betuchten, von den Bessergestellten, von den Reichen gelenkt und bestimmt wird. Ich kann gut verstehen, dass die ÖVP und insbesondere die NEOS Probleme damit haben. Wird die Politik von den Konzernen, von den Baulöwen, von den Immobilienspekulanten diktiert, im Hintergrund gelenkt, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn zum Beispiel die Preise fürs Wohnen ständig steigen.“ Die von der ÖVP jetzt propagierten Vorschläge seien für Zinggl mehr als unglaubwürdig, erst vor kurzem hat die ÖVP die Parteienförderung erhöht, jetzt wolle sie diese wieder reduzieren und die angepriesene Kontrollrechte des Rechnungshof sind gegen die Aussage des Klubobmanns Wöginger, der zu Zinggl gemeint hat: „Kollege Wöginger–er ist gerade nicht da–hat mir gesagt: Der Rechnungshof wird in unsere Bücher nie und nimmer reinschauen!“

Wenn nicht nach Ibiza, wann dann ist man endlich bereit, hier für Transparenz zu sorgen?“

NEOS-Abgeordnete Irmgard Griss geht in ihrer Rede auf die Versuchungen ein. Sie startet mit Rudolfs Edlingers bekanntes Zitat von der Knackwurst. Dieser wollte ja lieber seinen Hund auf eine Knackwurst aufpassen lassen, als die ÖVP auf das Budget und Finanzministerium. Die Parteien hätten es in der Hand ihre Finanzen offenzulegen, dies würden sie nicht freiwillig, so wie die NEOS, tun. Sie betont, dass es einen Unterschied mache, ob ein Wirtschaftsprüfer oder ein Rechnungshof-Beamter prüft. Denn das Interesse dahinter sei ein anderes. Dieses Argument steht im Widerstreit zur Rede von FPÖ-Abgeordneten Stefan, der genau die gegenteilige Ansicht hatte und jetzt auch am lautesten zwischenruft. Griss macht deutlich: „Außerdem muss es eine Sanktion geben, wenn gegen die Bestimmungen verstoßen wird, und es muss eine zeitnahe Veröffentlichung der Wahlkampfkosten geben; all das gibt es jetzt nicht. Und, was ganz wichtig ist: Es muss einen Straftatbestand der illegalen Parteienfinanzierung geben. Denn nur, wenn es das gibt, kann die Staatsanwaltschaft auch Konten öffnen. Weder der Rechnungshof noch sonst jemand hat das Recht, Konten zu öffnen, und wenn diese Möglichkeit nicht besteht, dann besteht noch immer die Chance, etwas zuzudecken und nicht offenzulegen.“

ÖVP-Großspender statt Ibiza

SPÖ-Abgeordneter Thomas Drozda befasst sich in seiner nicht ganz flüssigen Rede mit dem letzten Wahlkampf der ÖVP und prüft auch die ÖVP-Argumentationslinie auf ihre Plausibilität. Sie hat keine Anträge eingebracht, die ihre Vorschläge enthalten. Für Drozda sind Kleinvereine mit ihren zwei, drei Mitgliedern wesentlich problematischer als der Pensionistenverband mit seinen 400.000 Mitgliedern. Durch eine Recherche des Kurier seien für die ÖVP statt 2 Millionen Spenden 4 Millionen aufgedeckt worden, gestückelt, um einer Nennung zu umgehen. Die Gegenleistung für die Großspender seien für Drozda deutlich: der 12hTag, Senkung der Grunderwerbsteuer, es ist die Umsatzsteuersenkung für Hoteliers. „Kollegin Köstinger hat sich zwei Wochen vor der Wahl hingestellt und hat gesagt: Wir liegen gut im Plan! Wir liegen gut im Budget der 7 Millionen Euro! Und dann wurden aus 7 Millionen Euro 13 Millionen Euro, und am Ende ist die Aufklärung über die Herkunft dieser 13 Millionen Euro immer noch ausständig.“

SPÖ-Abgeordneter Christoph Manzenetter berichtigt, dass der Rechnungshof, wenn er Zweifel hat, auch einen Wirtschaftsprüfer jenseits des Fünfer-Vorschlags der Parteien auswählen kann um die Rechenschaftsberichte der Parteien zu überprüfen. Irmgard Griss hatte behauptet, der Rechnungshof ist an den Fünfer-Vorschlag gebunden.

Von Parteien, die sich nicht an Wahlkampfkosten-Gesetze halten

NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak sieht alle Umgehungen, die im Ibiza-Video angesprochen wurden, weiter möglich. Parteien, die ihre Vorfeld- und Teilorganisationen im Parteien-Statut drinnen ließen seien die Dummen. Alle anderen würden Umgehungskonstruktionen schaffen. Die begleitende Kontrolle über einen Senat sei für Scherak eine Wähler-Veräppelung und die neuen Strafen seien zwar eine Verbesserung gingen aber nicht zu weit. Scherak macht dabei einen radikalen Vorschlag: „Ich persönlich bin ja der Meinung, dass man es umdrehen sollte; ich halte es eigentlich für eine Voraussetzung dafür, dass wenn man Parteienfinanzierung bekommt, dass man sich an die Gesetze hält. Ich persönlich wäre der Meinung, dass Leute sich an die Kostenobergrenze halten, könnte man auch darüber diskutieren ob sie überhaupt Parteienfinanzierung bekommen.“ Scherak verweist auch darauf, dass die Klubabgaben, die die Abgeordneten an die Klubs zahlen, nicht in die Wahlkampfkostenobergrenze mit eingerechnet werden. Auch Firmenbeteiligungen seien gesetzliche Hintertüren. Scherak bringt den schon angesprochenen Abänderungsantrag ein. Die NEOS greifen heute zum zweiten Mal in die Zitatenkiste: am Ende seine Rede greift Scherak das Sumpf-Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Kirchschlager auf, er sei überzeugt, dass die anderen Parteien die Sümpfe und sauren Wiesen bewirtschaften wollen.

Die Rede von FPÖ-Klubobmann Nobert Hofer macht vorallem den NEOS keine Freude. Rhetorisch etwas holprig und tränendrüsig bringt Hofer Agent orange und Bayer und Monsanto ins Spiel, Konzerne, die die Liberalen auf Europa-Ebene finanziell unterstützen würden. Die NEOS-Abgeordneten rufen laut „Lüge“ hervor. Danach erwähnt er, dass Irmgard Griss bei ihrer Bundespräsidentschaftskanditatur eine Großspende von einem Wurstfabrikanten erhalten hat. Hofer zieht einen Vergleich zwischen dem Verbot Mandatare mit Geld anzufüttern und der von den NEOS propagierten Freiheit Parteien mit Großspenden anzufüttern. Beides müsse nach Hofer verboten sein. Hofer sieht das Mischsystem aus Parteienförderung und Spenden als gut an, das Team Stronach als auch die NEOS sieht er was die Finanzierung von Unternehmern betrifft „als den falschen Weg“. Denn gerade wirtschaftsnahe Parteien liefen in Gefahr von der Wirtschaft mit Spenden zu bekommen. Dann kommt Hofer auf die ÖVP zu sprechen, er spricht Karl Nehammer direkt an und sagt, dass es „keine Feinde“ sehe. Er erinnert die ÖVP daran, dass sie auch im freien Spiel der Kräfte gemeinsame Gesetze beschließen. Am Schluss seiner Rede betont er, dass man auch an der Liste Pilz gesehen hat, dass sich auch mit wenig Geld einen Wahlkampf durchführen lasse. Meinl-Reisinger ruft hinein, dass eine Person 100.000 Euro gespendet hat. Dies wäre so nicht mehr möglich. Die Ordnungsglocke läutet.

Darauf folgt eine tatsächliche Berichtigung von NEOS-Abgeordneten Michael Bernhard. Die NEOS haben auf Bundes, Landes- und Gemeindeebene keine Spende von Bayer erhalten. Auf Europa-Ebene haben die NEOS eine Abgeordnete, die ebenfalls keine Spende von Bayer erhalten hat.

Von der ÖVP als Partei der Eigentümer und der Mehrheit der Have-nots

Liste Jetzt-Abgeordneter Alfred J. Noll sieht den vorliegenden Antrag als kein besonders gutes Gesetz, aber es sei ein Schritt in die richtige Richtung. Anlassfall ist nicht das Ibiza-Video, sondern die massive Wahlkampfkosten-Überschreitung der ÖVP 2017. Noll kommt auf seine Vorredner Nehammer und Hofer zu sprechen und fragt nach dem Modell, wie sich Parteien finanzieren sollen. „Um beurteilen zu können, ob dieser Schritt in die richtige Richtung geht, muss man ein bisschen holzschnittartig verteilen. Ich bin Karl Nehammer sehr dankbar dafür, dass er das ganz transparent und öffentlich gemacht hat: Die ÖVP ist die Partei der Eigentümer–ja, das ist es!–und sie will die Interessen der Eigentümer in diesem Lande fördern–das ist legitim–, und deshalb schaut sie natürlich auch, dass sie mit den Eigentümern–das heißt, mit den Haves im Gegensatz zu den Have-nots–entsprechend guten Umgang pflegt, und dazu gehört halt auch das Einkassieren. Das führt genau zu dem, was Kollege Hofer hier richtigweise gesagt hat. À la longue geht es um folgende Entscheidung: Wollen wir eine Politik, die durch die Konzerne, die großen Firmen, durch die Haves bestimmt wird, oder wollen wir eine transparente demokratische Politik, die sich auf die Mehrheit–und das sind nun einmal die Have-nots in diesem Land–stützen kann und denen gegenüber rechenschaftspflichtig und auch transparent ist?–Das ist die grundsätzliche Entscheidung.“ Noll kritisiert, dass keine der drei großen Parteien es in den letzten Jahren auch nur irgendeinen Schritt zur Verbesserung der Kontrollrechte des Rechnungshofs zu den Parteienfinanzen gemacht haben. Zum Schluss erklärt Noll, dass die Parteien in Österreich mit öffentlichen Geld „überfüttert“ seien, die Liste Jetzt habe einen Antrag gestellt, die Parteienförderung zu halbieren. Die NEOS hätten leider den Mut verloren, dieses Anliegen mit zu unterstützen.

Die SPÖ-Abgeordnete Angela Lueger bringt den gesamtänderten Abänderungsantrag ein, dessen Inhalt die bisherige Debatte bestimmt hat. Dieser Antrag ist das Verhandlungsergebnis von SPÖ und FPÖ (drei SPÖ und ein FPÖ Anträge wurden zu einem integriert und gesamtabgeändert) , der von der Liste Jetzt mitgetragen wird. Lueger führt nochmals die Eckpunkte an, und geht auf das Prüfprocerde des Rechnungshofs bei der Auswahl der Wirtschaftsprüfer, die den von den Parteien aufgestellten Rechenschaftsbericht überprüfen, ein. Am Ende bringt Lueger noch einen SPÖ-NEOS und Liste Jetzt Entschließungsantrag ein, der Bundeskanzlerin Bierlein auffordert eine Sonderprüfung des Familienfests zu veranlassen. Es bestehe der Verdacht auf Verstoß des Vergabegesetzes und Parteienfinanzierung.

Sprachbildalarm: zu viel der Wurst

Liste Jetzt-Abgeordneter Peter Pilz greift das Sprachbild von Irmgard Griss auf, und zieht es in seiner gesamten Rede konsequent durch. Es gebe einen pinken Dackel, der seine Großwurst von einem Großwurstspender erhalte, mit dem Effekt, dass er sich großwurstkonform verhalte. Pilz führt dabei die NEOS Unterstützung des 12hTages an. Und es gebe einen türkisen Salatdackel, der in der ganzen Republik Großwurstverstecke hortet, vor allem als Vereine getarnte Wurstverstecke in Niederösterreich. „Einer Partei, und das ist die Österreichische Volkspartei, die in der offenen Absicht in Nationalratswahlkämpfe geht, Gesetze wie das Gesetz über die Beschränkung der Wahlkampfkosten zu brechen–dieser Partei, für die Gesetzesbruch in Wahlkämpfen zur Normalität gehört und die glaubt, dass es mit einer Entschuldigung getan ist, schreibt der Nationalrat ins Stammbuch: Das geht nicht mehr!“

Nobert Hofer ergreift nochmals das Wort, er führt nochmals aus, dass die liberale Fraktion ALDE im Europaparlament nach Recherchen französischer Medien insgesamt 425.000Euro von Konzernen wie Bayer, Google und Microsoft erhalten habe. Meinl-Reisinger hat schon während Hofers Worte eine Berichtigung angemeldet.

Beate Meinl-Reisinger findet Hofers Stil anpatzend. Sie stellt richtig, dass sich die NEOS innerhalb der ALDE sich gegen diese Konzernspenden stark gemacht haben. An der Arbeit von Wettbewerbskommissarin
Margrethe Vestager sehe man auch, dass diese Spenden nicht gewirkt hätten. In Zukunft wird ALDE keine Spenden von Unternehmen mehr annehmen. Diese Richtigstellung scheint vollständiger als der erste etwas zu eng betrachtete Versuch von Michael Bernhard.

Die Rede von ÖVP-Abgeordneten Josef Moser ist schon alleine deswegen spannend, weil er auch als ehemaliger Rechungshofpräsident spricht. Er stellt klar, dass der Rechnungshof aufgezeigt hat, wo es im 2012 beschlossene sogenannte Transparenzpaket Transparenzlücken gebe. Seine Rede ist sicherlich ein der sachkundigsten Beiträge, doch das Juristendeutsch wirkt im Vergleich auf die Pilzsche Wurstdackelei und die Alde-Vorwürfe schwer verständlich. Moser macht deutlich, dass die Prüfrechte des Rechnungshofs nicht ausreichend seien (um die Rechnungsabschlüsse der Parteien zu kontrollieren) und es gleichzeitig keine Handhabe bei Umgehungskonstruktionen gibt. Der Rechnungshof kommt immer nur durch die Wirtschaftsprüfer zur Prüfung, auf die er sich verlassen muss. Dies sei keine Transparenz. Im Bereich der Wirtschaft wäre dies undenkbar, dass das Finanzamt nicht prüfen dürfe. Am Schluss bringt Moser drei Entschließungsanträge zur Überprüfung der Vergaben im Landesverteidigungsministerium (in Zusammenhang mit dem FPÖ-nahen Verein ISP) und Verkehrsministerium (Infrastrukturprojekte, Strabag, die im Ibiza-Video angesprochen worden sind).

Eindruck von Bestechlichkeit ruft bei Sobotka Wutattacke hervor

SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried fühlt sich durch Mosers Rede motiviert. Er fragt sich, wo denn die ÖVP-Anträge zu den Forderungen seien. Seine Rede ist rhetorisch griffig – wenn auch etwas pfarrerhaftig –, weil sie grundsätzliche Fragen zum enstandenen Eindruck durch Spenden Politik zu kaufen als auch die Bedeutung des Wahlrechts stellt. „Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mehr als hundert Jahre–eine lange Zeit–her, dass wir das Zensuswahlrecht in Österreich überwunden haben und zum gleichen, geheimen und unmittelbaren Wahlrecht gekommen sind. Und das ist der Grund, warum wir wirklich hier sind: Jetzt entsteht nach 100 Jahren wieder der Eindruck, dass es, wenn man Politik beeinflussen will, wichtiger ist reich zu sein, als zur Wahl zu gehen. Und deshalb sind wir heute hier, geschätzte Damen und Herren!“ Kurz darauf wird Wolfgang Sobotka, der vom Nationalratspräsidentensessel zurück in die ÖVP-Reihen gewechselt ist, seinen wütenden Zwischenruf abgeben, der es auch ins Netz geschafft hat.

ÖVP-Abgeordneter Karl Nehammer tritt nochmals an Rednerpult und fordert Leichtfried auf seinen Vorwurf der Bestechlichkeit zurückzunehmen, sonst werde die ÖVP klagen. Die SPÖ sei nur neidisch darauf, weil sie selbst keine Spenden habe. „Das ist Neid, das ist Missgunst! Nur zur Information: Totalitäre Regime schaffen Spenden ab! Die DDR hat es verboten, den Parteien zu spenden. Das ist der Geist der Sozialdemokratie!“

NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker möchte noch zwei Informationen dem Plenum mitteilen: die Fraktion der die FPÖ im Europaparlament angehört, nimmt Spenden von der Steve-Bannon-Stiftung “the Movement”, entgegen, der Europa zerstören wolle. Und die Firmenbeteiligungen der SPÖ Wien würden der Partei viel an Geld einspielen. Ein Anpatz-Ping Pong, wie es der Nationalrat selten erlebt.

SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried meldet sich ein zweites Mal zu Wort und nimmt den klausulierten Vorwurf an die ÖVP wegen Bestechlichkeit zurück. Er ersetzt ihn durch „Es entsteht der Eindruck, dass Politik für die Spender und Spenderinnen gemacht wird.“ Damit kann die ÖVP gut leben. Was anderes hat auch Noll mit den Haves und Not-haves nicht gemeint.

Die fraktionslose Martha Bissmann liest eine Wortmeldung eines Bürgers vor. Es gehe darum das Vertrauen in die Politik wiederherzustellen.

Hier geht es zur Nachschau, hier zur Nachlese.

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