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Kräfteverhältnisse im EU-Parlament

Das EU-Parlament ist die Vertretung der BürgerInnen in der EU. Wie es zusammengesetzt ist und warum das so ist, ist weitgehend unbekannt.

Die nächste Wahl in Österreich ist die EU-Wahl im Frühjahr 2019. Das EU-Parlament hat einige Unterschiede zu einem nationalen Parlament. Es kann selbst keine Gesetze hervorbringen, sondern agiert im Dreiklang zwischen EU-Kommission und Europäischen Rat. Die Bedeutung des Europaparlaments ist durch die verschiedenen Verträge (Maastricht 1992, Amsterdamer Vertrag 1999, Lissabonner Vertrag 2009) hinsichtlich seiner Befugnisse z.B. bei der Budgeterstellung oder der erforderlichen Zustimmung bei der Besetzung der EU-Kommission stetig gewachsen.

Durch die direkte Wahl zum EU-Parlament, die europaweit gleichzeitig stattfindet,  mit knapp 400 Millionen Wahlberechtigten, ist das EU-Parlament aus demokratiepolitischer Sicht das gewichtigste Mitwirkungsgremium. Seine Kräfteverhältnisse haben sich in den letzten Jahrzehnten durch den Anstieg der Mitgliedsstaaten und auch den Lissabon-Vertrag verändert. Einerseits gibt es nun mehr Plätze im Europaparlament und anderseits auch mehr Möglichkeiten der Fraktionsbildung. Ergebnis sind wachsende konservative und sehr rechtsorientierte Fraktionsbündnisse.

Anzahl der ParlamentarierInnen und Entwicklung der EU

Die erste EU-Parlamentswahl fand im Jahr 1979 statt. Damals gab es 410 Sitze. Im Zuge der neuen Verträge und auch neuen Mitgliedsstaaten wurden zuerst die Sitze erweitert, im Laufe der Jahre ab 1994 zudem kontinuierlich am Verteilungsschlüssel gedreht. Im Zuge des Lissabon-Vertrags wurde festgehalten, dass die Anzahl von 750 ParlamentarierInnen nicht überschritten werden darf und kein Mitgliedsstaat mehr als 96 Sitze, aber mindestens 6 Sitze bekommt. Diese degressive Proportionalität begünstigt kleine Mitgliedsländer. Heute umfasst das EU-Parlament 751 Abgeordnete (durch den Beitritt Kroatiens mehr als die 750 Sitze). Es gibt insgesamt vier Mitgliedsländer, die aufgrund ihrer Bevölkerungsgröße mehr als 70 EU-ParlamentarierInnen stellen (Deutschland: 96, Frankreich: 74, Italien und Großbritannien jeweils 73). Spanien und Polen liegen mit 54 bzw. 51 Sitzen in der Mitte, der Rest der Mitgliedsstaaten hat zwischen 6 und 32 Abgeordnete im EU-Parlament. Österreich entsendet 18 EU-ParlamentarierInnen (Member of European Parlament, kurz MEPs).

Entwicklung der europäischen Parteifamilien

Wie in jedem Parlament gibt es auch im EU-Parlament Fraktionen, die eine Art Parteifamilie bilden. Die KandidatInnen bei der EP-Wahl werden von den nationalen Parteien bzw. Wahlbewegungen entsandt und bilden dann im Europaparlament Fraktionen. Für eine Faktion sind mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens einem Viertel der EU-Mitgliedsstaaten notwendig. Die zwei größten und auch seit Anbeginn des EU-Parlaments dabei, sind die Europäische Volkspartei und die Europäischen Sozialdemokraten. Das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Parteien hat sich Mitte der Neunziger Jahre zugunsten der europäischen Volkspartei (bei derzeit 29%) umgedreht.

Neben diesen zwei Parteien gibt es das liberale Fraktionsbündnis (seit 2004 ALDE), die Nationalkonserativen, die linken und kommunistische Allianz, die Europäischen Grünen, die Europa-SkeptikerInnen und die Fraktionslosen.

Der massive Abfall Sitze im EU-Parlament der Europäischen Nationalkonservativen in den 1980iger Jahren ist dadurch zu erklären, dass 1989 diese nur mehr aus Großbritannien kamen (aber vorher auch aus Frankreich). 1994 waren die europäischen Nationalkonservativen hauptsächlich aus Italien entsandt (Forza Italia). Dieser Bedeutungsverlust hat auch den Aufschwung der Europäischen Volkspartei als auch der Liberalen begünstigt. Heute bilden die nationalkonservativen Kräfte mit 9 % die drittstärkste Fraktion, die Abgeordneten kommen hauptsächlich aus Polen, Großbritannien und Deutschland.

Die Europäischen Grünen und europäischen Kommunisten und Linken Parteien pendeln jeweils seit den 1990iger Jahren zwischen 5 und 10 Prozent der Sitze.

Eine wechselvolle Entstehung hatten die europakritischen Parteien. Ursprünglich als fraktionslos oder auch rechtsextremistisch kategorisiert, bildeten sie seit den 1990iger Jahren ein Sammelbecken aus EU-kritischen bis feindlichen Allianzen. Die Bündnisstabilität wurde aufgrund von Wechsel und zu wenig Abgeordneten durch Auflösungen und Neugründungen herausgefordert. (Reste der IND/DEM wurden 2009 in der neu gegründeten EFD zusammengefasst,  nach 2014 gab es wiederum eine Auflösung und Neugründung zur EFDD).

Quelle: EU-Bericht 2014, Fraktionsbezeichnungen wurden anhand der Liste zusammengeführt.

Einig im Nationalen – EU-Gegner im Aufwind

Der Stimmen- und dadurch der Bedeutungsverlust der zwei großen europäischen Parteien hat viel Raum für europakritische und sogar -feindliche Fraktionen geschaffen. Waren diese zu Beginn noch fraktionslos, gab es ab Mitte der 2000er Jahre Bestrebungen sich zu einem Fraktionsbündnis zusammenzuschließen. Die Fraktionsgeschichte ist nicht frei von Zerwürfnissen,  Fraktionswechseln und Namensänderungen.  Aus der europa-kritischen Fraktion „Europa der Demokratien und der Unterschiede“ (EDD) 1999-2004 ging die Faktion „der Unabhängigen“ (IND/DEM) hervor und wurde aufgrund von Zerwürfnissen und Fraktionswechsel 2009 wieder als „Europa der Freiheit und der Demokratie“ (EFD) neu gegründet. Diese Fraktion hatte die meisten Abstimmungsunterschiede und die meisten Wechsel (innerhalb der Legislaturperioden). Wie der frühere Fraktionsname verdeutlicht standen Unterschiede am Programm. Gemeinsamer Nenner ist, dass es für viele Politikbereiche keine europäischen sondern tendenziell nationale Spielregeln geben soll.

Aktuelle Entwicklungen in der achten Gesetzgebungsperiode

Im Oktober 2014 wurde die Europapartei „Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit“ (MENL) gegründet, die wiederum die 2010 vom damaligen FPÖ-EU-Parlamentarier Andreas Mölzer mitgegründete „Europäische Allianz für Freiheit“ (EAF) ablöste. Die EAF bestand aus Einzelpersonen und bildete sich nicht aus einer Fraktion im EU-Parlament heraus. Aus Fraktionsperspektive gehörten die FPÖ EU-ParlamentarierInnen lange Zeit zu den Fraktionslosen (genauso wie die Abgeordneten der Liste Martin), 2015 schlossen sie sich zur neuen Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ an, die meisten Abgeordneten gehören  zudem auch der MENL an.  Zu ihren Abgeordneten-KollegInnen zählen UKIP, Vlaams Blok, Front National, und ex-AFD-KollegInnen (Frauky Petrys neu gegründeter Blauen Partei).

Ernüchternde Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung an den Europawahlen ist seit 1979 im EU-Schnitt kontinuierlich zurückgegangen: von ursprünglich 62% auf 43% bei der letzten Europawahl 2014 (EU-Bericht 2014, S. 48). Auffällig ist, dass gerade die neuen osteuropäischen Mitgliedsländer eine sehr niedrige Wahlbeteiligung aufweisen: 2014 haben nur 13% der Wahlberechtigten in der Slowakei teilgenommen, 18% in der Tschechischen Republik. Auch in Großbritannien war die Wahlbeteiligung 2014 mit 36% unter dem EU-Schnitt. Ergebnisse einer Eurobarometerumfrage zur politischen Partizipation zeigen ebenso, dass in der Tschechischen Republik und in Großbritanien über die Hälfte der Befragten das Wählen bei EU-Wahlen als ineffektive Einflussmöglichkeit auf europäische Politik einschätzen (Eurobarometer 2013, S. 23).  Einzig die Belgier sind durch ihre geografische Nähe zu Brüssel durch ihre hohe Wahlbeteiligung von 90% (2014) unübertroffen.

Zu denken gibt auch die Wahlbeteiligung auf Altersgruppen aufgeteilt. Hier haben europaweit die Jungen (unter 24 Jahre) die niedrigste Wahlbeteiligung mit 28%, bei den Älteren (über 55 Jahre) liegt sie bei 52%. Nur 6% der jungen SlowakInnen und 10% der jungen FinnInnen und nur 19% der jungen EngländerInnen haben bei der letzten EU-Wahl ihre Stimme abgegeben (EU-Bericht 2014, S. 43).

In Bezug auf die Geschlechter lässt sich feststellen, dass Männer 2014 europaweit häufiger mit 45% zur Wahl gegangen sind als Frauen (mit 41%). Auf die verschiedenen Mitgliedsstaaten bezogen gibt es die größten Unterschiede im Wahlverhalten in Schweden (hier wählen anteilig mehr Frauen als Männer), Polen und in Frankreich (hier wählen anteilig mehr Männer als Frauen) (EU-Bericht 2014, S. 42).

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Anna Schopf

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