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Wenn CO2 eine Farbe hätte

Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif beendete mit einer Key Note die aktuelle Semesterfrage „Wie retten wir unser Klima?“ an der Universität Wien

Man stelle sich vor: CO2 hätte eine Farbe, zum Beispiel ein hässliches braun, das im Laufe der Jahre und Jahrzehnte mit dem Steigen des CO2-Anteils in der Atmosphäre den Himmel und die Wolken in ein immer tieferes, undurchsichtigeres Braun färben würde … würden die Menschen dann mehr gegen die Klimakatastrophe tun?

Mojib Latif denkt ja. Man merkt dem Wissenschaftler an, dass er schon viele Vorträge zum Thema menschengemachter Klimawandel gehalten hat. Er zeigt nur Blitzlichter auf die wissenschaftliche Evidenz von CO2-Anstieg und korrelierendem Temperaturanstieg und auf die offensichtlichen Probleme (Stichwort „Donald Trump“) bei der Lösung des Klimakonflikts. Latif hält seine Vorträge, ohne seine ZuhörerInnen intellektuell oder auch emotional zu überfordern.

CO2-Gehalt und global gemittelte Temperatur
CO2-Gehalt und global gemittelte Temperatur

Der Grund für den Stillstand liegt also, so Latifs These, in der Nicht-Spür- und Fühlbarkeit des CO2-Anstiegs, also quasi der Unsichtbarkeit des Problems für das Individuum. Deshalb schaut die Menschheit seit Jahrzehnten dabei zu, wie sie ihre eigenen Lebensgrundlagen vernichtet.

Emails bei Schnee

Hinzu kommt das Problem, dass sich immer mehr Menschen – wie Latif sagt – „verwirren“ lassen in Bezug auf die Faktenlage zu unterschiedlichsten Problemlagen. Wieder erscheint das Bild Donald Trumps als Symbolbild für das postfaktische Zeitalter. Der US-Präsident steht für eine Form des Politikmachens, die sich nicht mehr auf wissenschaftliche Fakten und politische Konventionen stützt, sondern auf die Neuinterpretation dieser Rahmenbedingungen. Auch in Österreich oder in Deutschland gibt es inzwischen Politiker, die den menschengemachten Klimawandel leugnen und wissenschaftliche Fakten „erfinden“, um die Menschheit aus der Verantwortung für die Klimakatastrophe zu nehmen.

„Sie werden nicht glauben, wie viele Emails ich bekomme, wenn es schneit“, erläutert Latif und der Saal lacht auf. Wenn es schneit und kalt ist im Winter, bestärkt dies bereits Menschen dazu, das Faktum des menschengemachten Klimawandels aufs Neue zu hinterfragen.

Dabei spricht überhaupt nichts gegen kalte Winter und Schneefall in Zeiten des menschengemachten Klimawandels. Der Klimaforscher vergleicht den Prozess der Erderwärmung mit einem auf 6 gezinkten Würfel. Die Manipulation führt dazu, dass die Zahl 6 viel öfter kommt als die anderen Zahlen, aber nicht dass sie überhaupt nicht mehr vorkommen.

Von der Analyse zum Tun

Im Kampf gegen den Klimawandel beschwor Latif die treibende Kraft einer Klimabewegung, die Politik und Wirtschaftssystem zum Handeln bewegen könnte. Ohne „Druck von unten“ würde die Subventionierung konventioneller Energien und konventioneller Landwirtschaft niemals gestoppt werden können, ist der Klimaforscher überzeugt.

Einer umfangreichen Änderung der Lebensstile etwa im Bezug auf das eigene Mobilitätsverhalten (Stichwort Flüge) erteilte Latif jedoch eine Absage. Fliegen sollte ökovertraglich gemacht, jedoch nicht abgeschafft werden, „denn die Menschen fliegen einfach zu gern“, behauptete Latif, der selbst per Flieger nach Wien angereist war.

Die Frage „Wie retten wir unser Klima?“ konnte der Klimaforscher freilich auch nicht erschöpfend beantworten. Betont positiv warf er jedoch ein, dass es auch Anzeichen für Veränderungen gäbe – wie zum Beispiel die seit Jahren stark sinkende Kohlenstoffintensität je 1000 Dollar Wirtschaftsleistung (BIP).

Letztlich sei auch der Einfallsreichtum der Menschen nicht zu unterschätzen. Er verwies dabei auf die technologischen, sozialen und ökonomischen Veränderungen, die die Erfindung des Smart-Phones innerhalb kürzester Zeit bewerkstelligt hätte. Wieso also nicht auf eine Technologie hoffen, die innerhalb kürzester Zeit den CO2-Ausstoß in den Keller rasseln lassen wird? Für Mojib Latif liegen die Chancen neben der politischen Mobilisierung in der technischen Entwicklung und Effizienzsteigerung der Produktionssphäre.

Und noch eine „gute Nachricht“ konnte der deutsche Forscher seinem Publikum mit auf den Weg geben. Die Gefahr, dass durch das klimainduzierte Versiegen des Golfstroms eine neue Eiszeit auf die Menschheit zukomme, verbannte Latif ins Reich der Hollywood-Blockbuster. Um gegen Ängste wie diese anzutreten und über die Wirklichkeit des Klimawandels aufzuklären, sei eine Flugreise nach Wien doch allemal gerechtfertigt, bemerkte er abschließend.

Der Vortrag von Mojib Latif steht auf der Homepage der Universität Wien zum Streamen bereit.

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Ina Freudenschuss

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