reflektive

Jung-Mutter-befristet-sucht

Befristete Arbeitsverträge betreffen ein Drittel aller jungen Menschen am Arbeitsmarkt. Sie bedeuten für junge Menschen ständige Jobausstiege, die in der Familiengründungsphase langfristig Nachteile für Berufs- und auch Familienleben mit sich bringen.  Für Unternehmen bedeuten Befristungen eine legale Hintertür, um sich von (nicht mehr) flexiblen MitarbeiterInnen wie Schwangeren, Jungvätern und später Wiedereinsteigerinnen zu entledigen.

Die Datenlage zum Thema Jungeltern und Erwerbssituation ist so, wie sich atypische Arbeit oftmals ausgestaltet: prekär. Eine Verknüpfung der Datenreihen junger Frauen, die Mütter geworden sind und ihrer Arbeitsverhältnisse vor und nach der Geburt fehlt in Österreich bislang. Daher nähert sich der Beitrag anhand einzelner Merkmale an und stützt sich auch dort, wo vorhanden, auf Zahlen aus Deutschland, wo bereits parlamentarische Anfragen vorliegen.

Jung

Junge Menschen haben es am Arbeitsmarkt ähnlich schwer wie die Generation 55+. Ablesbar wird dies zum Beispiel an der zielgruppenspezifischen Arbeitslosenrate. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt stets höher als die allgemeine Arbeitslosenrate. Ob es das Finden einer gewünschten Lehrstelle ist oder das Durchgereichtwerden als PraktikantIn während des Studiums, oder auch kurze Zeit später beim Jobeinstieg, der sich wie eine nicht enden wollende Probezeit gestaltet. War früher – und gesetzlich ist es immer noch so –  das erste Monat als Probemonat zum Kennenlernen beider Seiten da (Angestelltengesetz, §19 (2)), kann sich dieses Monat gerade in anspruchsvollen Tätigkeitsprofilen bis zu einem halben Jahr ziehen. Die Befristung ist geboren.

Was früher Ausnahme und atypisch war, gehört heute zum Erwartungshorizont junger Erwerbstätiger. Denn Befristungen kommen bei ihrem ersten Job immer öfter vor, und hier nochmals mehr unter jungen Frauen. Es zeigt sich, dass Befristungen überdurchschnittlich von ArbeitgeberInnen in Branchen des obersten und untersten Qualifikationsniveaus gewählt werden (Statistik Austria 2009, S. 72): am häufigsten sind junge Frauen im akademischen Berufsfeldern (26%) betroffen, gefolgt von weiblichen (oft migrantischen) Hilfsarbeitskräften (22%) und Personen in Dienstleistungsjobs (15%).  Im Hochschulbereich gibt es mittlerweile – auch durch die gesetzliche Veränderung der Organisationsstruktur durch das Universitätsgesetz –  keinen Berufsein- oder -aufstieg ohne befristete Verträge mehr. Im Jahr 2017 waren auf Österreichs größter Universität, der Universität Wien, drei Viertel des weiblichen und knapp zwei Drittel des männlichen wissenschaftlichen Personals befristet beschäftigt (Universität Wien, 2018, S. 98).

Ein Ad-hoc-Moduls im Rahmen der Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria im Jahr 2009 ergab, dass in den letzten 35 Jahren immer mehr junge Menschen in ihrer Berufseinstiegsphase atypisch beschäftigt waren (Statistik Austria 2009, S. 69).  Die Motivation, besser einen befristeten Job anzunehmen, der Bewährungsmöglichkeiten bietet, als keinen, lenkt von der instabilen Berufssituation zunächst ab. Die Folgen für die soziale Absicherung werden oftmals erst durch eine Schwangerschaft oder einer Elternkarenz sichtbar. In Deutschland gibt es ähnliche Zahlen: im Jahr 2016 hatte jede vierte Frau (24 Prozent) und jeder fünfte Mann (22 Prozent) zwischen 15 und 24 Jahren (nur) einen befristeten Arbeitsvertrag (WSI). Bei diesen Zahlen sind keine Personen in Ausbildung inkludiert.

Mutter

Heute bekommen Frauen mit Ende 20 das erste Kind, vor 30 Jahren war es noch mit Mitte 20 (Statistik Austria). Das ist genau die Lebensphase, in der meistens die Ausbildung abgeschlossen und der Berufseinstieg erfolgt ist, aber oftmals aufgrund der kurzen Zeit und auch durch die Zunahme an atypischen Beschäftigungsverhältnissen noch kein stabiler Erwerbsverlauf vorhanden ist. Während die heutige Großmüttergeneration zum Ende ihrer Ausbildung das erste Kind bekam, und auch das Hauptverdiener-Hausfrauenmodell noch gängiger war (Statistik Austria 2009, S. 28), ist der Zeitpunkt der Familiengründung heute später und trifft die sensible Phase der beruflichen Verortung. Und hier kommen wiederum atypische Befristungen ins Spiel.

Befristet

Befristungen sind ein Problem für Erwerbskarrieren: Karriere und Befristungen schließen sich nämlich so gut wie aus. Aber soweit muss gar nicht gedacht werden. Gerade für junge Beschäftigte verunmöglichen sie mittelfristig eine Perspektive im Berufs- aber auch Privatleben.

Atypische Beschäftigungsverhältnisse sind in Österreich in den letzten Jahren gewachsen, mittlerweile ist jedes dritte Arbeitsverhältnis atypisch (das sind knapp 2 Millionen Arbeitsverhältnisse) – zulasten der ursprünglich „typischen“ unbefristeten Vollzeitstellen. Teilzeit und Befristungen sind dabei zahlenmäßig die größten Formen, gefolgt von Leiharbeit und freien Dienstverträgen (Kombinationen innerhalb der Formen ist ebenso typisch, z.B. Teilzeit und befristet). Im Jahr 2017 gab es in Österreich 236.500 befristete Arbeitsverhältnisse. Und gerade junge Menschen sind von befristeten Arbeitsverträge stark betroffen: knapp ein Drittel aller arbeiteten 15 bis 24-Jährigen war 2018 befristet (inkludiert Leiharbeit und Ausbildungsverträge), in den weiteren Altersgruppen liegt der Anteil nur bei sechs Prozent (Eurostat-Abfrage). In Deutschland war laut Hochrechnungen jede vierte Neueinstellung eine befristete Stelle, wie aus einer Anfragebeantwortung der Fraktion „DIE LINKE“ an das Bundesarbeitsministeriums hervorgeht. Auch hier sind vor allem junge Menschen und davon junge Frauen betroffen (Auswertung der Anfrage).

Im Falle einer Schwangerschaft wird zwar die Befristung bis zum Beginn des Mutterschutzes (das sind ca. zwei Monate vor und nach der Geburt) verlängert, danach läuft das Arbeitsverhältnis aber durch Zeitablauf aus. Für das Ende der Befristung müssen keine Gründe genannt werden. Während Schwangere in unbefristeten Verträgen einem Kündigungsschutz unterliegen und das Recht auf Karenz und Wiederrückkehr in den Betrieb (für zumindest einige Monate und auch Anspruch auf Elternteilzeit haben, wenn die Kriterien erfüllt sind) haben, bedeutet das für Schwangere in befristeten Arbeitsverhältnissen Nachteile im Zugang zum einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld, Diskriminierung bei der späteren Jobsuche und auch Nachteile bei der Suche nach einem Kindergartenplatz (der aufgrund des Platzmangels eine Erwerbstätigkeit beider Elternteile oftmals von der Behörde voraussetzt).

Auch für Jungväter treffen diese Problemlagen, im Besonderen in Bezug auf den fehlenden Kündigungsschutz zu. Arbeitgeber, die erfahren, dass ihr Mitarbeiter Vater wird und davon ausgehen, dass er gerne in Karenz gehen würde, haben eine zeitliche Vorlaufzeit sich durch Vertragsablauf zu trennen, ohne dem Mitarbeiter den gesetzlichen Anspruch auf Familienkarenz gewähren zu müssen. Laufen Verträge aus, laufen diese Unternehmen auch nicht Gefahr, als familienfeindlich zu gelten. Die geringe Inanspruchsnahme des „Papamonats“ und auch der Väterkarenz könnte auch an den unsicheren  Erwerbsverläufen junger Männer liegen, und weniger an alten Rollenbildern. Das Ergebnis ist dasselbe.

In Deutschland war die sachgrundlose Befristung, also die Befristung, die ohne Gründe auskommt, ein zentrales Konfliktthema bei der Koalitionsbildung: während die SPD für ihre Abschaffung war, sah die Union keinen Handlungsbedarf. Man einigte sich auf die Eindämmung von sachgrundlosen Befristungen. Ein Gesetz liegt bis jetzt nicht vor (Tagesschau vom August 2018).

Sucht

Heute gestaltet sich die Jobsuche aufwendiger als früher: aufgrund des hohen Arbeitskräftepotenzials gibt es mehr Menschen, die im Wettbewerb um eine Stelle stehen, mehrere Bewerbungsrunden mit Aufgaben und Assessmentprozedere halten Personalabteilungen und BewerberInnen auf Trab. Bei all dem Run um Stellen bergen Hinderungsgründe wie Betreuungspflichten und potenziell kranke Kinder gerade für Wiedereinsteigerinnen ein oftmals nicht einmal verstecktes Diskriminierungspotenzial. Suchende stellen sich dabei die Frage, Kinder im Lebenslauf ganz wegzulassen oder ihre Familienrolle im Bewerbungsprocerde zumindest abzuspalten. Väter haben mit dieser Spaltung traditioneller Weise bessere Karten.

Befristungen – die ohne sachlichen Grund von ArbeitgeberInnen argumentiert werden –  schaffen Unsicherheiten, verhindern das sich Einlassen in Arbeitsbindungen und verunmöglichen auch Betriebsratsarbeit. Das gefühlte Arbeiten auf Dauerprobe wird so für Betroffene zu einem disziplinierendes Momentum.  Arbeit auf Zeit trifft zudem Frauen und junge Menschen mehr als andere Gruppen am Arbeitsmarkt. Während in Deutschland zumindest die Problematik dieser atypischen Form es ins Regierungsprogramm geschafft hat, ist diese politische Schnittstelle der Arbeitsmarkt-, Frauen- und Familienpolitik in Österreich bislang unbesetzt.

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Anna Schopf

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