In volkswirtschaftlichen Rechengrößen, wie dem Bruttoinlandsprodukt, wird unbezahlter Arbeit kein Wert beigemessen. Dabei ist unbezahlte Arbeit aus der Wohlstandsperspektive heraus keinesfalls wertlos.
Unbezahlte Arbeit geht tendenziell zurück
Während der Gesamtanteil an unbezahlter Arbeit in den letzten Jahrzehnten bei Frauen und Männern in Deutschland zurückgegangen ist, gibt es für Österreich Verschiebungen zwischen den Geschlechtern und weniger einen Rückgang zu konstatieren. Während bei der ersten Zeitverwendungsstudie 1981 Frauen für klassische Hausarbeit vier Stunden durchschnittlich pro Tag und die Männer 25 Minuten im Schnitt aufwendeten, hat sich das Bild bei der letzten Zeitverwendung zugunsten der männlichen Hausarbeit leicht verschoben. 2008/9 verbrachten Frauen dreidreiviertel Stunden und Männer fast zwei Stunden im Schnitt mit Hausarbeit. Diese Zahlen zeigen – wenn auch durch die methodischen Veränderungen mit etwas Vorsicht – den relativ gleich bleibenden Zeitsockel bei den Frauen und den gestiegenen Anteil von Männern im Bereich der unbezahlten Arbeit.
Insgesamt lässt sich ein gesellschaftlicher Trend feststellen, Haushaltstätigkeiten zu substituieren: Essen wird über (digitalen) Lieferservice bestellt, (digital bestellte) Putzfrauen halten die Wohnungen sauber und Kinder werden in Kindergärten, Ganztagsschulen oder Horten betreut. Die gestiegene Erwerbstätigkeit der Frauen hat auch zu einer Verringerung des Zeitbudgets für Hausarbeit geführt, wenn auch nur graduell, wie die Zahlen zeigen.
Verknüpfung von Zeitverwendungsdaten, Bewertung von Arbeit und wirtschaftlicher Wertschöpfung
In Deutschland wurde 2016 eine Monetarisierungsstudie über unbezahlte Arbeit veröffentlicht, für Österreich liegt eine ähnliche Arbeit nur aus Mitte der 1990iger Jahre vor. Bevor die Ergebnisse dargestellt werden, sollen hier auch die wesentlichen Schritte der Berechnungslogik nachvollziehbar gemacht werden.
Zeitverwendungsstudien lassen sich für die volkswirtschaftliche Analyse unbezahlter Arbeit gut nutzen. Das Wissen um die Bevölkerungsanteile, die durchschnittlich verschiedene Haushaltstätigkeiten ausüben, ist der erste Schritt, um ein erweitertes Bruttoinlandsprodukt zu berechnen. Hierbei ist es üblich, nur die als Haupttätigkeiten (inkl. Wegzeiten) angeführten Tätigkeiten einzubeziehen. Der zweite Schritt besteht in der Abgrenzung durch das „Dritt-Personen-Kriterium“. Alle Tätigkeiten, die von einer dritten Person am Markt zugekauft werden könnten, werden als unbezahlte Arbeit definiert. Dies ist zum Beispiel bei Pflegetätigkeiten oder Kinderbetreuung, Essenszubereitung, Reinigungstätigkeiten und Gartenarbeiten der Fall.
Als nächster Schritt wird ein Jahresvolumen an unbezahlter Hausarbeit hochgerechnet (durchschnittliche Zeit für unbezahlte Arbeit multipliziert mit Bevölkerungszahl ab einem bestimmten Alter). Für Deutschland wurde hier für das Jahr 2013 ein Stundenvolumen von 89 Milliarden Stunden berechnet. Das sind über ein Drittel mehr Stunden als für Erwerbsarbeit aufgewendet wurde.
Nun folgt der aufwändigste Schritt: die tatsächliche finanzielle Bewertung der unbezahlt geleisteten Arbeit. Hier ist es üblich, einen Lohnkostenansatz zu wählen. Unter der Annahme, dass eine dritte Person die Arbeit verrichten würde, werden die Lohnkosten eingeschätzt. Um die verschiedenen Bedingungen abzubilden, wird eine Variantenmethode angewendet. Beispielsweise werden Berechnungen erstellt, welche Kosten entstehen, wenn Fachkräfte die Leistung erbringen oder ein Generalist wie eine HauswirtschafterIn (die meist präferierte Wahl). Außerdem werden Berechnungsvarianten ergänzt, die nicht die gesamten Lohnkosten abbilden, da haushaltsnahe Tätigkeiten meist unter anderen Rahmenbedingungen stattfinden als klassische Erwerbsarbeit (Beschäftigungsverhältnis, Art der Auszahlung, Stundenlohn, etc.). So werden in Monetarsierungsstudien oftmals die Stundenlöhne ohne Bezahlung der Ausfallszeiten berechnet (jene Kosten die anfallen, wenn die Arbeitskraft krank oder verhindert ist, und eine Ersatzkraft beschäftigt wird). Je nach Ansatz ergeben sich für die verschiedenen Haushaltstätigkeiten verschiedene Stundenlöhne, die in den verschiedenen Szenarien abgebildet werden.
Die deutsche Studie kommt hier zu dem Ergebnis, dass eine Vollzeitkraft im Haushalt – unter einem vorsichtigen Bewertungsansatz – auf dem Niveau der durch bezahlte Arbeit erzielten Nettoeinkommen liegt.
Zuletzt erfolgt die Einpassung in die Logik des erweiterten Bruttoinlandprodukts. Hier wird der Produktionsbegriff auf die unbezahlte Arbeit in privaten Haushalten als auch der Konsumbegriff ausgeweitet. Sowohl die inputorientierte Bewertung (Effizienz der Hausarbeit) als auch die outputorientierte Bewertung (Qualität, Struktur, Umfang) scheitern allerdings an der Datenlage. Besser berechenbar sind die Komponenten der Haushaltsproduktion: hier werden Abschreibungen (Ausgaben für langlebige Gebrauchsgüter, wie z.B. Staubsauger werden ersetzt) oder Vorleistungen wie Nahrungsmitteleinkäufe inkl. Wegzeiten und Mobilitätskosten einbezogen.
Unbezahlte Arbeit umfasst etwa ein Drittel der Bruttowertschöpfung
Die deutsche Studie kommt bei vorsichtiger Berechnung der monetären Bewertung auf eine Bruttowertschöpfung der Haushaltsproduktion von 987 Milliarden Euro für das Jahr 2013 (entspricht 39% des BiPs). Das liegt deutlich über der Bruttowertschöpfung des produzierenden Gewerbes. Haushaltsarbeit könnte als „Branche“ also mithalten. Der Wert der unbezahlten Arbeit beträgt in der Gesamtbetrachtung etwa ein Drittel der im Bruttoinlandsprodukt ausgewiesenen Bruttowertschöpfung. Im Jahr 1992 lag der Anteil der Haushaltsproduktion noch bei 45 % und gilt als guter Vergleichswert für die österreichische Studie.
Die von der Statistik Austria durchgeführte Monetarisierungsstudie kam Mitte der 1990iger Jahre zum Ergebnis, dass das Niveau für das Bruttoinlandsprodukt durch die Erweiterungen der unbezahlten Arbeit in der Bandbreite (je nach Bewertungsansatz) zwischen 50% und 140% angehoben werden würde. Durch die Erweiterung wäre der Anteil, der von Frauen für das Bruttoinlandsprodukt geleisteten Arbeit je nach Berechnung zwischen 45% und 55 % groß. Ohne Erweiterung lag der Anteil bei 21,7% (jener der Männer bei 45,4%, der Rest umfasst indirekte Steuern, wie Subventionen, Abschreibungen von Sachkapitel, etc.). Interessant, ist dass Frauen, obwohl sie mehr Zeit für Arbeit aufbringen, durch die niedrigeren Stundenlöhne als auch einen geringen Produktionswert (wegen niedriger Kapitalintensivität durch Vorleistungen, Material, wenig Wegzeiten, etc.) weniger zum Bruttoinlandprodukt beitragen als arbeitende Männer.
Auch ohne die Vergleichbarkeit zu strapazieren, dürfte die deutsche Studie vorsichtiger in der Wahl der Bewertungsansätze gewesen sein. Andererseits spielt das unterschiedliche Berechnungsjahr eine Rolle: Mitte der Neunzigerjahre war der Anteil an unbezahlter Arbeit höher als im Jahr 2013.
Was bedeuten die Ergebnisse?
Auch abseits der komplexen Berechnungslogiken und Bewertungsansätze, die volkswirtschaftswissenschafliche Expertise brauchen, eröffnet die Auseinandersetzung mit der wertschöpfenden Dimension von unbezahlter Arbeit einen neuen Blick: wie würde unsere Gesellschaft ohne unbezahlte Arbeit bzw. einer anderen Bewertung von Arbeit aussehen? Wer könnte sich noch Kinder leisten? Wer könnte sich die Pflege seiner Angehörigen leisten? Wer könnte sich saubere Kleidung, eine aufgeräumte Wohnung und warme Mahlzeiten leisten, wenn diese nur am Markt zu bekommen wären?
Wie würde ein Sozialversicherungssystem (mit all seinen Facetten wie Arbeitslosen- oder Pensionsversicherung) aussehen, wenn die Bewertung von Arbeit anders aussähe? Und was hieße das für die geschlechtstradierte Arbeitsteilung?
Eine volle Monetarisierung bleibt ein Gedankenexperiment, aber in einigen Bereichen wie der Pflege und Kinderbetreuung korreliert sie mit gesellschaftlich erstrebenswerten Zielsetzungen (fachkundige Betreuung und Bildung, Betreuungsqualität, Inklusion) und hätte volkswirtschaftlich eine Berechtigung. Genau das Gegenteil ist allerdings der Fall, wenn Länder und Gemeinden Prämien für die Erhöhung des Anteils unbezahlter Frauenarbeit bereitstellen.
Anstatt die für die volkswirtschaftliche Wertschöpfung unsichtbare, weil unbezahlte eigene „Frauenbranche“ Hausarbeit außen vor zu lassen, bräuchte es mehr gesellschaftliche Wertschätzung sowie eine Diskussion über die Arbeitsaufteilung innerhalb von Haushalten.
Quellen:
Statistisches Bundesamt, Deutschland
– Schwarz, Norbert / Schwahn, Florian (2016): Entwicklung der unbezahlten Arbeit privater Haushalte. Bewertung und Vergleich mit gesamtwirtschaftlichen Größen Statistisches Bundesamt. In: WISTA Nr. 2/ 2016. Statistisches Bundesamt, S. 35-51
Statistik Austria
– Franz, Alfred (1996, Hrsg.): Familienarbeit und Frauen-BIP. Österreichische Studien zu amtlichen Statistik Nr. 3. Wien. (großes Dokument, läd sehr langsam)
– Ghassemi, Sonja / Kronsteiner-Mann, Christa (2009): Zeitverwendung 2008/09
Ein Überblick über geschlechtsspezifische Unterschiede. Wien: Statistik Austria